Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bei der Einkommensteuer; Erstattungsberechtigung und Reihenfolge der Anrechnung in Nachzahlungsfällen
(BMF-Schreiben vom 14.1.2015 - IV A 3 - S 0160/11/10001 - , BStBl I S. 83)
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(BMF-Schreiben vom 14.1.2015 - IV A 3 - S 0160/11/10001 - , BStBl I S. 83)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder richtet sich die Ermittlung von Einkommensteuer-Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 AO bzw. die Erstattungsberechtigung - einschließlich der Reihenfolge der Anrechnung - nach folgenden Grundsätzen:
§ 37 Abs. 2 AO enthält eine allgemeine Umschreibung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, der einem Steuerpflichtigen dadurch erwächst, dass eine Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis ohne rechtlichen Grund erfolgt ist oder der Grund hierfür später wegfällt (vgl. dazu AEAO zu § 37, Nr. 2).
Im Bereich der Einkommensteuer können sich Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 AO insbesondere ergeben
Die Ausführungen dieses Schreibens gelten für Annexsteuern entsprechend.
Die nachfolgenden Ausführungen gelten bei Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften entsprechend (§ 2 Abs. 8 EStG).
Soweit im Folgenden Ausführungen zur Einzelveranlagung nach § 26a EStG gemacht werden, gelten sie bis Veranlagungszeitraum 2012 für getrennte Veranlagungen nach § 26a EStG a.F. entsprechend.
§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach die Auszahlung des Erstattungsbetrags (Überschuss im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG) aus der Einkommensteuer-Zusammenveranlagung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, lässt die materielle Rechtslage hinsichtlich der Erstattungsberechtigung zusammen veranlagter Ehegatten unberührt. In Bezug auf den Erstattungsanspruch sind zusammen veranlagte Ehegatten weder Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB noch Mitgläubiger i. S. d. § 432 BGB (BFH-Beschluss vom 17.2.2010, VII R 37/08, BFH/NV S. 1078). Die Regelung, der die Annahme zugrunde liegt, dass bei einer intakten Ehe die Erstattung an einen Ehegatten vom anderen Ehegatten gebilligt wird, will dem Finanzamt für Fälle, in denen diese Annahme zutrifft, Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung der Ehegatten ersparen (BFH-Urteil vom 5.4.1990,VII R 2/89, BStBl II S. 719). Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass sich Ehegatten, die die Zusammenveranlagung beantragen, durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung gegenseitig bevollmächtigen können, nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen. Die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG enthält demnach eine widerlegbare gesetzliche Vermutung hinsichtlich einer Einziehungsvollmacht.
§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ist aber auch dann nicht anzuwenden,
In solchen Fällen muss die materielle Anspruchsberechtigung nach § 37 Abs. 2 AO selbst dann geprüft werden, wenn die Ehegatten übereinstimmend davon ausgehen, dass der steuerliche Erstattungsanspruch ihnen gemeinsam zusteht (BFH-Beschluss vom 12.3.1991, VII S 30/90, BFH/NV 1992 S. 145). Zahlt das Finanzamt bei der Zusammenveranlagung aufgrund des gegenüber einem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch den auf den anderen Ehegatten entfallenden Erstattungsbetrag an den Pfändungsgläubiger aus, kann es von diesem jedoch die Rückzahlung dieses ohne Rechtsgrund gezahlten Betrages verlangen (BFH-Urteil vom 13.2.1996, VII R 89/95, BStBl II S. 436).
Der Erstattungsanspruch steht demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 30.9.2008, VII R 18/08, BStBl 2009 II S. 38 m.w.N.). Unerheblich ist dagegen, welcher der Ehegatten den Steuerermäßigungstatbestand verwirklicht hat, der im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu der Steuererstattung geführt hat. Dies gilt auch in Fällen des Verlustabzugs nach § 10d EStG (BFH-Urteile vom 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl II S. 162, und vom 18.9.1990, VII R 99/89, BStBl 1991 II S. 47). Unerheblich ist auch, auf wessen Einkünften die festgesetzten Steuern (Vorauszahlungen und Jahressteuer) beruhen.
Liegen keine Anhaltspunkte oder ausdrücklichen Absichtsbekundungen für eine Tilgungsbestimmung vor, kann das Finanzamt als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft allerdings davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.2005, VII R 16/05, BStBl 2006 II S. 453, m.w.N.); das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (BFH-Urteil vom 30.9.2008, VII R 18/08, BStBl 2009 II S. 38).
Ob die Ehegatten sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die Einzelveranlagung nach § 26a EStG beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Zahlung darstellten (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.2007, VII R 35/06, BStBl II S. 742). Haben sich die Ehegatten vor der Zahlung getrennt, war dies dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Zahlung aber noch nicht bekannt, kann das Finanzamt weiterhin davon ausgehen, dass der Ehegatte, der ohne individuelle Tilgungsbestimmung auf die gemeinsame Steuerschuld (Vorauszahlungsschuld) gezahlt hat, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen Ehegatten begleichen wollte.
Die Angabe einer Tilgungsbestimmung muss dabei nicht „ausdrücklich“ erfolgen, sondern kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (als Indiz z.B. Angabe des eigenen Namens im Feld „Verwendungszweck“ einer Überweisung; vgl. BFH-Urteil vom 25.7.1989, VII R 118/87, BStBl 1990 II S. 41). Eine spätere „Interpretation“ (d. h. eine nachträglich geltend gemachte Tilgungsbestimmung) durch den zahlenden Ehegatten kann keine Berücksichtigung finden.
Rechnet ein Ehegatte mit einem ihm allein zustehenden Erstattungsanspruch gegen die gemeinsame ESt-Schuld auf, kann das Finanzamt davon ausgehen, dass der Ehegatte, der ohne individuelle Tilgungsbestimmung auf die gemeinsame Steuerschuld geleistet hat, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen Ehegatten begleichen wollte. Im Fall der Aufrechnung durch das Finanzamt ergibt sich die Tilgungsbestimmung wegen der nach § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit dagegen nach der individuellen Gläubigerschaft des Steuererstattungsanspruchs.
Bei Zahlungen im Wege des Lastschrifteinzugs ist das Finanzamt gesondert über den Tilgungswillen zu informieren. Wird ein Verrechnungsvertrag geschlossen (vgl. AEAO zu § 226, Nr. 5), ergibt sich die Tilgungsbestimmung aus den vertraglichen Vereinbarungen.
Bitten die Ehegatten zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel bei Abgabe der Steuererklärung, um Überweisung des Erstattungsanspruchs an einen bestimmten Zahlungsempfänger, liegt lediglich eine Zahlungsanweisung vor, die den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch unberührt lässt. Die auf Wunsch eines der Ehegatten erfolgte Auszahlung des ihm materiell-rechtlich zustehenden Erstattungsanspruchs an den anderen Ehegatten oder einen Dritten führt ihm gegenüber zum Erlöschen seines Erstattungsanspruchs. Denn auch in einem derartigen Fall erbringt die Finanzbehörde ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem Rechtsinhaber zu erfüllen.
Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind nach § 37 Abs. 1 EStG - unabhängig davon, wer sie zahlt oder von wessen Konto sie abgebucht werden - auf die für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich geschuldete Einkommensteuer zu entrichten. Bei Vorauszahlungen ohne Tilgungsbestimmung ist davon auszugehen, dass sich der Ehegatte, der auf einen an ihn und seinen Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheid leistet, nicht nur bewusst ist, dass seine Zahlungen in Höhe der später festgesetzten Einkommensteuer endgültig beim Fiskus verbleiben sollen, sondern dass er die - wenn auch unmittelbar zur Erfüllung der Gesamtschuld aus dem Vorauszahlungsbescheid entrichteten - Zahlungen auch leistet, um damit die zu erwartende Einkommensteuer beider Ehegatten zu tilgen. Ist die im Zeitpunkt der Vorauszahlungen nach Kenntnisstand des Finanzamts noch bestehende Wirtschaftsgemeinschaft hinreichender Anknüpfungspunkt dafür, die Vorauszahlungen als für Rechnung beider Ehegatten geleistet zu unterstellen, dann ist daraus auch der in diesem Zeitpunkt übereinstimmende Wille abzuleiten, dass diese Vorauszahlungen später dafür verwendet werden sollen, die auf beide Ehegatten später entfallenden Steuerschulden auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 22.3.2011, VII R 42/10, BStBl II, S. 607).
Übersteigen die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, die geleisteten Vorauszahlungen und die sonstigen Zahlungen der Ehegatten die Summe der gegen die beiden Ehegatten insgesamt (im Wege der Zusammenveranlagung oder im Wege der Einzelveranlagung nach § 26a EStG) festgesetzten Steuern, ist wie folgt zu verfahren:
Zunächst sind für jeden Ehegatten die bei ihm anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie seine mit individueller Tilgungsbestimmung geleisteten Vorauszahlungen und sonstigen Zahlungen zu ermitteln. Daneben sind alle übrigen Zahlungen zu ermitteln, die beiden Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind. Die auf diese Weise ermittelten Zahlungen sind dem jeweiligen Ehegatten gemäß den Nrn. 3.1 bis 3.4 an Hand der materiellen Erstattungsberechtigung zuzuordnen.
Bei der weiteren Bearbeitung ist zwischen der Zusammenveranlagung (Nr. 3.5) und der Einzelveranlagung nach § 26a EStG (Nr. 3.6) zu unterscheiden.
Hinsichtlich einbehaltener Steuerabzugsbeträge (insbesondere Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) ist derjenige Ehegatte erstattungsberechtigt, von dessen Einnahmen (z. B. Arbeitslohn oder Kapitaleinnahme) die Abzugssteuer einbehalten wurde (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl 1983 II S. 162); denn diese Steuer ist für seine Rechnung an das Finanzamt abgeführt worden (BFH-Urteil vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl II S. 719). Wurden für beide Ehegatten Steuerabzugsbeträge einbehalten und wurden keine Vorauszahlungen geleistet, ist die Aufteilung des Erstattungsanspruchs im Verhältnis des jeweiligen Steuerabzugs des Ehegatten zum Gesamtabzug durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.1990, VII R 103/88, BStBl II S. 520).
Hat der zahlende Ehegatte im Zeitpunkt einer Vorauszahlung kenntlich gemacht, dass er nur seine eigene Steuerschuld tilgen will, ist er im Falle der Erstattung dieses Betrags allein erstattungsberechtigt.
Erfolgt eine Vorauszahlung aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids durch einen Ehegatten ab dem Zeitpunkt, zu dem das dauernde Getrenntleben der Ehegatten dem Finanzamt bekannt geworden ist, ist davon auszugehen, dass der Zahlende nur auf eigene Rechnung leisten will. Im Falle einer Erstattung einer solchen Zahlung ist er allein erstattungsberechtigt (BFH-Urteil vom 25.7.1989, a.a.O.).
Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne individuelle Tilgungsbestimmung sind unabhängig davon, ob die Ehegatten später zusammen oder nach § 26a EStG einzeln veranlagt werden, zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen (BFH-Urteil vom 22.3.2011, VII R 42/10, BStBl II, S. 607). Daher ist nur ein nach der Anrechnung der „gemeinsamen“ Vorauszahlungen verbleibender Überschuss nach Köpfen an die Ehegatten auszukehren.
Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung aufgrund eines nur an einen Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids sind nur diesem Ehegatten zuzurechnen (zur Wirkung siehe Nr. 3.2).
Für sonstige Zahlungen (z.B. Abschlusszahlungen) gelten Nrn. 3.2 und 3.3 entsprechend.
Übersteigt die Summe der im Rahmen einer Zusammenveranlagung anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1), geleisteten Vorauszahlungen (Nrn. 3.2 und 3.3) und sonstigen Zahlungen (Nr. 3.4) der Ehegatten die festgesetzte Steuer und ist die Aufteilung des Erstattungsbetrages erforderlich (vgl. Nr. 2.2), ist wie folgt zu verfahren:
Zunächst sind für jeden Ehegatten die bei ihm anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie seine mit individueller Tilgungsbestimmung geleisteten Vorauszahlungen und sonstigen Zahlungen zu ermitteln. Daneben sind alle übrigen Zahlungen zu ermitteln, die beiden Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind.
Anschließend sind in Abhängigkeit von der Fallgestaltung folgende Ermittlungen und Berechnungen anzustellen:
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Gegen die Ehegatten M und F hatte das Finanzamt gemeinsam Einkommensteuer-Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 14.000 € festgesetzt. Hierauf wurden 8.000 € ohne Tilgungsbestimmung entrichtet. In Höhe von 5.000 € hat M Vorauszahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet. F hat in Höhe von 1.000 € Vorauszahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet.
Vom Arbeitslohn des M wurden 10.000 € Lohnsteuer einbehalten. Vom Arbeitslohn der F wurden 5.000 € Lohnsteuer einbehalten.
Im Rahmen einer Zusammenveranlagung wurde gegen die Ehegatten Einkommensteuer in Höhe von 20.000 € festgesetzt. Aufgrund der anzurechnenden Lohnsteuerbeträge (10.000 € + 5.000 € = 15.000 €) und der geleisteten Vorauszahlungen (8.000 € + 5.000 € + 1.000 € = 14.000 €) ergibt sich ein Erstattungsanspruch von insgesamt 9.000 €.
Die individuellen Erstattungsansprüche der Ehegatten M und F sind wie folgt zu ermitteln:
1 | individuelle Ermittlung der bei den Ehegatten nach Nr. 3.1 jeweils anzurechnenden Steuerabzugsbeträge: | |||||
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2 | individuelle Ermittlung der bei den Ehegatten nach Nr. 3.2 jeweils anzurechnenden Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung: | |||||
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3 | hälftige Aufteilung der „gemeinsamen“ Zahlungen i. S. d. Nr. 3.3 und Zurechnung des jeweiligen Anteils wie eine Zahlung i. S. d. Nr. 3.2: | ||||||||
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4 | für jeden Ehegatten sind die nach (1) bis (3) ermittelten Anrechnungsbeträge jeweils zu addieren: | |||
M: | 10.000€ | F: | 5.000€ | |
+ 5.000€ | + 1.000€ | |||
+ 4.000€ | + 4.000€ | |||
Summe: | 19.000€ | Summe: | 10.000€ |
5 | Die Aufteilung des Erstattungsanspruchs (9.000€) auf die Ehegatten erfolgt im Verhältnis der Summe der dem einzelnen Ehegatten zuzurechnenden Zahlungen zur Summe aller Zahlungen: | ||||||||
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Übersteigen die im Rahmen von Einzelveranlagungen nach § 26a EStG anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1), geleisteten Vorauszahlungen (Nrn. 3.2 und 3.3) und sonstigen Zahlungen (Nr. 3.4) der Ehegatten die Summe der gegen beide Ehegatten individuell festgesetzten Steuern, ist wie folgt zu verfahren:
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Die Ehegatten M und F haben die gegen sie gemeinsam festgesetzten Vorauszahlungen (4 x 4.000 € = 16.000 €) ohne individuelle Tilgungsbestimmung entrichtet. Vom Arbeitslohn wurden jeweils folgende Lohnsteuerbeträge einbehalten: | |||||||||||||||||
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Es werden Einzelveranlagungen nach § 26a EStG durchgeführt: | |||||||||||||||||
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Der Betrag von 2.000 € ist nach Köpfen auszukehren.
Die Zurechnung erfolgt wie folgt:
1 | Bei jedem Ehegatten sind von den festgesetzten Einkommensteuerbeträgen zunächst jeweils die anzurechnenden Lohnsteuerbeträge abzuziehen (= Sollbeträge): | ||||||||
|
2 | Im zweiten Schritt werden - mangels Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung i. S. d. Nr. 3.2 - die gemeinsamen Vorauszahlungen nun jeweils bis zur Höhe der Sollbeträge (hier identisch mit Zwischensumme II) bei M und F aufgeteilt, der danach verbleibende Restbetrag (2.000€) ist jedem Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen: | |||
„gemeinsame“ Vorauszahlungen | 16.000€ | |||
=> M: | ||||
Sollbetrag: | 10.000€ | |||
„vorab“ anzurechnen | ./. 10.000€ | ./. 10.000€ | ||
vorläufiger Restbetrag | 0€ | |||
=> F: | ||||
Sollbetrag: | 4.000€ | |||
„vorab“ anzurechnen | ./. 4.000€ | ./. 4.000€ | ||
vorläufiger Restbetrag | 0€ | |||
nicht verbrauchte, gemeinsame Vorauszahlungen | 2.000€ |
3 | Im dritten Schritt werden die nicht verbrauchten gemeinsamen Vorauszahlungen nach Köpfen zugerechnet: | |||||||||
|
4 | Die Abrechnungsverfügungen der Steuerbescheide sehen wie folgt aus: | ||
M: | |||
15.000€ | festgesetzte Einkommensteuer | ||
./. 5.000€ | anzurechnende Lohnsteuer | ||
./. 11.000€ | anzurechnende Vorauszahlungen | ||
= ./. 1.000€ | Erstattung | ||
F: | |||
5.000€ | festgesetzte Einkommensteuer | ||
./. 1.000€ | anzurechnende Lohnsteuer | ||
./. 5.000€ | anzurechnende Vorauszahlungen | ||
= ./. 1.000€ | Erstattung |
Werden Ehegatten nach § 26a EStG einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und ist die Summe der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und (Voraus-)Zahlungen geringer als die Summe der individuell festgesetzten Steuern, sind aufgrund eines gegen beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids geleistete Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung (Nr. 3.3) wie folgt aufzuteilen und zuzuordnen:
Die Ehegatten M und F haben die gegen sie gemeinsam festgesetzten Vorauszahlungen (4 x 2.500 € = 10.000 €) ohne individuelle Tilgungsbestimmung entrichtet.
Vom Arbeitslohn wurden jeweils folgende Lohnsteuerbeträge einbehalten: | |||||
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Es werden Einzelveranlagungen nach § 26a EStG durchgeführt: | ||
M: | festgesetzte Einkommensteuer = | 15.000€ |
F: | festgesetzte Einkommensteuer = | 5.000€ |
Summe der individuell festgesetzten Steuerbeträge = | 20.000€ | |
Summe der hierauf anzurechnenden Beträge = | ./. 16.000€ | |
Nachzahlungsüberhang | 4.000€ |
Lösung:
1 | Von den gegen die Ehegatten festgesetzten Einkommensteuerbeträgen sind zunächst jeweils die anzurechnenden Lohnsteuerbeträge abzuziehen (= Sollbeträge): | ||||||||
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2 | Im zweiten Schritt werden - mangels Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung i. S. d. Nr. 3.2 - die gemeinsamen Vorauszahlungen nun nach Köpfen - allerdings maximal bis zur Höhe des jeweiligen Sollbetrags (hier identisch mit Zwischensumme II) - aufgeteilt, der danach verbleibende Restbetrag ist dem Ehegatten mit dem höheren Soll allein zuzurechnen: | |||||||||||||||||
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3 | Die Abrechnungsverfügungen der Steuerbescheide sehen wie folgt aus: | ||
M: | 15.000€ | festgesetzte Einkommensteuer | |
./. 5.000€ | anzurechnende Lohnsteuer | ||
./. 6.000€ | anzurechnende Vorauszahlungen | ||
= 4.000€ | Abschlusszahlung | ||
F: | 5.000€ | festgesetzte Einkommensteuer | |
./. 1.000€ | anzurechnende Lohnsteuer | ||
./. 4.000€ | anzurechnende Vorauszahlungen | ||
= 0€ | Abschlusszahlung |
Bei der Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen auf die Steuerschuld ist der jeweilige Zahlungszeitpunkt unbeachtlich. Alle bis zum Abrechnungsstichtag geleisteten Zahlungen (Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen oder sonstige Zahlungen) sind nach den vorstehenden Grundsätzen zuzuordnen und aufzuteilen. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass für die Zuordnung und Aufteilung eines Erstattungsanspruchs, der sich aus einer Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung zugunsten des/der Steuerpflichtigen ergibt, die Abschlusszahlung nicht vorrangig zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist die Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen im Wege einer Gesamtaufrollung neu vorzunehmen.
Im Rahmen einer Zusammenveranlagung wurde gegen die Ehegatten M und F Einkommensteuer in Höhe von 10.000 € festgesetzt. Nach Anrechnung der vom Arbeitslohn des Ehemannes einbehaltenen Lohnsteuer von 6.000 € ergab sich eine Abschlusszahlung von 4.000 €, die von den Eheleuten für beider Rechnung entrichtet wurde.
Später wird die Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert und die Einkommensteuer auf 9.000 € herabgesetzt. Es ergibt sich somit ein Erstattungsanspruch von 1.000 €.
Die individuellen Erstattungsansprüche der Ehegatten M und F sind wie folgt zu ermitteln:
1 | individuelle Ermittlung der bei den Ehegatten nach Nr. 3.1 jeweils anzurechnenden Steuerabzugsbeträge: | |||||
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2 | mangels Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung i. S. d. Nr. 3.2 hälftige Aufteilung der „gemeinsamen“ Zahlungen i. S. d. Nr. 3.3 und Zurechnung des jeweiligen Anteils wie eine Zahlung i. S. d. Nr. 3.2: | ||||||||
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3 | für jeden Ehegatten sind die nach (1) und (2) ermittelten Anrechnungsbeträge jeweils zu addieren: | |||
M: | 6.000€ | F: | 0€ | |
+ 2.000€ | + 2.000€ | |||
Summe: | 8.000€ | Summe: | 2.000€ |
4 | Die Aufteilung des Erstattungsanspruchs (1.000€) auf die Ehegatten erfolgt im Verhältnis der Summe der dem einzelnen Ehegatten zuzurechnenden Zahlungen zur Summe aller Zahlungen: | ||||||||
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Für die Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen, denen eine an beide Ehegatten als Gesamtschuldner gerichtete Vorauszahlungsfestsetzung für Trennungsfolgejahre zugrunde liegt, gelten die Regelungen in Nummern 2.3 bis 2.5 entsprechend. War dem Finanzamt die Trennung im Zahlungszeitpunkt noch nicht bekannt und lag zu diesem Zeitpunkt auch keine individuelle Tilgungsbestimmung vor, sind die Zahlungen deshalb genauso als Zahlungen für gemeinsame Rechnung zu behandeln wie im Fall von Einzelveranlagungen nach § 26a EStG (vgl. Nr. 3.6).
Sind in Fällen der Ehegattenveranlagung mehrere Finanzämter für die Veranlagungen zuständig, haben sich diese - auch länderübergreifend - abzustimmen.
Dieses Schreiben tritt mit sofortiger Wirkung an die Stelle des BMF-Schreibens vom 31. Januar 2013 - IV A 3 - S 0160/11/10001 - (BStBl I S. 70).
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