Mitteilungen der Finanzbehörden über Pflichtverletzungen und andere Informationen gemäß § 10 StBerG
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.7.2014 (BStBl I S. 1195)
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Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.7.2014 (BStBl I S. 1195)
Nach § 10 Abs. 1 StBerG haben die Finanzbehörden Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass eine der in § 3, § 3a oder § 4 Nr. 1 und 2 StBerG genannten Personen eine Berufspflicht verletzt hat, der zuständigen Stelle mitzuteilen, soweit deren Kenntnis aus Sicht der übermittelnden Behörde für die Verwirklichung der Rechtsfolgen erforderlich ist. Hierdurch soll den Berufskammern und den sonst zuständigen Stellen ermöglicht werden, die Berufsaufsicht wirksam auszuüben.
Die Finanzbehörden sind zur Mitteilung verpflichtet. Ein Ermessensspielraum steht ihnen nicht zu. Durch die Formulierung „soweit ihre Kenntnis aus Sicht der übermittelnden Stelle für die Verwirklichung der Rechtsfolgen erforderlich ist“ wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen.
Das Steuergeheimnis steht der Mitteilungspflicht gemäß § 10 Abs. 1 StBerG nicht entgegen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO). Bei Akteneinsicht ist zu beachten, dass nur die die Berufspflichtverletzung betreffenden Vorgänge eingesehen werden dürfen.
Nicht jede berufliche Fehlleistung stellt bereits eine Berufspflichtverletzung dar. Vielmehr muss der konkrete Verdacht bestehen, dass der Berufsangehörige seine Pflichten nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv verletzt hat. Es muss ein dem Berufsangehörigen zuzurechnendes Verschulden hinzukommen. In der Regel ist das der Fall, wenn der Betreffende fahrlässig oder bei der gebotenen Sorgfaltspflicht in nicht mehr zu vertretender Weise leichtfertig oder gar vorsätzlich gehandelt hat. Bei offenkundig versehentlicher oder unverschuldeter Pflichtverletzung darf eine Mitteilung deshalb nicht erfolgen. Für die Mitteilung reichen weder Vermutungen noch Schlussfolgerungen aus. Vielmehr muss ein Verdacht gegeben sein, der bei vorläufiger Bewertung der Pflichtverletzung und der Schuld des Berufsangehörigen eine spätere Ahndung oder Verurteilung wahrscheinlich macht (vgl. § 203 StPO).
Zu den Berufspflichtverletzungen gehören nicht nur Pflichtverletzungen bei Ausübung des Berufs, sondern auch solche, die nicht unmittelbar bei der Berufsausübung begangen wurden. Die Pflicht zur Unabhängigkeit kann z. B. durch wiederkehrende oder nicht beitreibbare Steuerrückstände, häufige Zwangsvollstreckungen, Vermögensverfall, Eintragung ins Schuldnerverzeichnis (§ 284 Abs. 9 Satz 1 AO) oder Haftbefehl zur Erzwingung einer solchen Maßnahme verletzt werden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Gewissenhaftigkeit liegt vor, wenn eine Fehlleistung auf Vorsatz, grobem Verschulden oder auf einem allgemein gleichgültigen Verhalten beruht. Die Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer für die Angestellten stellt eine berufliche Verfehlung dar, die dem Ansehen des Berufsstandes schadet. Entsprechendes gilt für Verfehlungen in eigenen Steuerangelegenheiten (z. B. Steuerrückstände, Steuerhinterziehung oder Nichtabgabe von Steuererklärungen). Die den Verdacht begründenden Tatsachen oder Umstände müssen sich aus Feststellungen der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren oder sonstigen in ihre Zuständigkeit fallenden Angelegenheiten ergeben. Es ist nicht ihre Aufgabe, aufgrund von Anzeigen und Beschwerden von Steuerpflichtigen und anderen Berufsangehörigen tätig zu werden. Vielmehr sind diese an die zuständige Berufskammer zu verweisen.
Die Berufspflichten sind in den jeweiligen Berufsgesetzen und den ggf. hierzu ergangenen Berufsordnungen geregelt. Eine unmittelbare Anwendung auf die in § 3 und § 4 Nr. 2 StBerG genannten Gesellschaften kommt nicht in Betracht. Vielmehr ist bei Gesellschaften der handelnde gesetzliche Vertreter verantwortlich.
Zu den wesentlichen Berufspflichten gehören:
(§§ 57 - 71 Steuerberatungsgesetz - StBerG -;
Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer - BOStB - gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG)
Die Berufspflichten gelten sinngemäß für Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind (§ 72 Abs. 1, § 74 Abs. 2 und § 94 Abs. 1 StBerG).
(§§ 43 - 59 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -;
Berufsordnung für Rechtsanwälte - BORA - gemäß § 59b BRAO)
Bei den Rechtsanwaltsgesellschaften unterliegen auch die nichtanwaltlichen Vertreter der Berufsaufsicht durch die Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 1 BRAO). Die anwaltsgerichtlichen Vorschriften sind auf diesen Personenkreis entsprechend anzuwenden (§ 115c BRAO).
(§§ 43 - 55a, 130 Wirtschaftsprüfungsordnung - WPO -;
Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers gemäß § 57 Abs. 3 und 4 WPO)
Die Berufspflichten gelten sinngemäß für Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter von Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften, die nicht Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind (§ 56 Abs. 1, § 71, § 130 WPO).
(§§ 14 - 19, 25 - 32 der Bundesnotarordnung - BNotO -)
(§§ 39 - 52 der Patentanwaltsordnung - PAO -;
Berufsordnung der Patentanwälte gemäß § 52b PAO)
Die den Verdacht einer Berufspflichtverletzung begründenden Tatsachen sind der zuständigen Stelle mitzuteilen. Das sind zum einen die Berufskammern, zum anderen die für das ehrengerichtliche oder berufsgerichtliche Verfahren oder das Disziplinarverfahren zuständigen Stellen. Grundsätzlich ist die Mitteilung an die zuständige Berufskammer zu richten, damit diese prüfen kann, ob zunächst eine außergerichtliche Maßnahme ausreichend ist oder ob die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens wegen schwerwiegender oder weiterer ihr bekannt gewordener Pflichtverletzungen durch die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht angezeigt ist. Ist erkennbar, dass bereits ein ehrengerichtliches oder berufsgerichtliches Verfahren oder ein Disziplinarverfahren bei der hierfür zuständigen Stelle anhängig ist, so erfolgt die Mitteilung unmittelbar auch dieser gegenüber.
Vor Erlass eines Bußgeldbescheides wegen einer von einem Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer oder einer Person nach § 3a StBerG in Ausübung des Berufs bei der Beratung in Steuersachen begangenen Steuerordnungswidrigkeit und vor Erlass eines Haftungsbescheids gemäß § 69 AO gegen eine der in § 3, § 3a und § 4 Nr. 1 und 2 StBerG genannten Personen ist die zuständige Berufskammer gemäß § 411 bzw. § 191 Abs. 2 AO zu hören, auch wenn ihr die zugrunde liegende Pflichtverletzung bereits nach § 10 Abs. 1 StBerG von der Finanzbehörde mitgeteilt wurde.
Zuständige Berufskammern sind
Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StBerG sind die Finanzbehörden zur Übermittlung anderer Informationen als Berufspflichtverletzungen in den dort abschließend aufgeführten Fällen verpflichtet. Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 3 StBerG ist für die Finanzbehörden ohne Bedeutung, da bei Berufspflichtverletzungen eine Mitteilungspflicht nach § 10 Abs. 1 StBerG besteht.
Abweichend von dem von § 10 Abs. 1 StBerG betroffenen Personenkreis gilt § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StBerG nur für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Steuerberatungsgesellschaften, Lohnsteuerhilfevereine und Personen, die die Zulassung zur oder die Befreiung von der Steuerberaterprüfung oder die Bestellung/Wiederbestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter beantragt haben oder beantragen wollen.
Als Informationen im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StBerG können beispielsweise in Betracht kommen
Vermögensverfall (hohe Steuerrückstände, ständige Vollstreckung), Steuerhinterziehung,
Sucht oder lang andauernde Erkrankung eines Berufsangehörigen,
fehlende verantwortliche Führung der Gesellschaft durch einen Steuerberater durch sog. Strohmannverhältnisse,
wiederholter Verstoß gegen § 4 Nr. 11 StBerG, Ausübung einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung mit der Hilfeleistung in Steuersachen (z. B. Mitwirkung bei der Vorfinanzierung von Steuererstattungsansprüchen), steuerliche Pflichtverletzungen des Vereins.
Mitteilungsempfänger ist
Soweit ein Steuerberater und Steuerbevollmächtigter gleichzeitig Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und/oder vereidigter Buchprüfer oder eine Steuerberatungsgesellschaft gleichzeitig Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfungs- und/oder Buchprüfungsgesellschaft ist, dürfen die Informationen im Sinne des § 10 Abs. 2 StBerG auch an die Rechtsanwalts- bzw. Wirtschaftsprüferkammer oder sonst zuständige Stelle übermittelt werden (§ 10 Abs. 3 StBerG).
Im Gegensatz zu Mitteilungen nach § 10 Abs. 1 StBerG darf die Übermittlung nach § 10 Abs. 2 und 3 StBerG nur erfolgen, soweit hierdurch schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden oder das öffentliche Interesse das Geheimhaltungsinteresse der Beteiligten überwiegt. Sie muss unterbleiben, wenn besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Das Steuergeheimnis steht der Übermittlung nicht entgegen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO).
Die Informationsübermittlung kann ohne Einzelauskunftsersuchen der für die Durchführung eines Verfahrens gemäß § 10 Abs. 2 und 3 StBerG zuständigen Stelle erfolgen. Häufig wird jedoch die zuständige Stelle um entsprechende Auskunft bitten.
§ 36a Abs. 3 WPO, § 36 Abs. 2 BRAO, § 64a Abs. 2 BNotO und § 34 Abs. 2, § 52m Abs. 2 PAO regeln die Weitergabe von Informationen über Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften, Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften, Notare sowie Patentanwälte und Patentanwaltsgesellschaften in den dort aufgeführten Fällen (z. B. Rücknahme der Zulassung als Rechtsanwalt, Widerruf der Bestellung als Wirtschaftsprüfer, Amtsenthebung eines Notars). Während nach § 36a Abs. 3 WPO das Steuergeheimnis der Übermittlung von Informationen generell nicht entgegensteht, ist bei Mitteilungen gemäß § 36 Abs. 2 BRAO, § 64a Abs. 2 BNotO und § 34 Abs. 2 PAO grundsätzlich das Steuergeheimnis zu beachten. Nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BRAO, § 64a Abs. 2 Satz 3 BNotO bzw. § 34 Abs. 2 Satz 3 PAO können nur Informationen über die Höhe rückständiger Steuerschulden zum Zweck der Vorbereitung des Widerrufs der Zulassung als Rechtsanwalt, der Amtsenthebung als Notar bzw. des Widerrufs der Zulassung als Patentanwalt wegen Vermögensverfalls übermittelt werden. Bezüglich Tatsachen, die aus Sicht des Finanzamts eine Berufspflichtverletzung darstellen können, besteht daneben noch die Pflicht einer Mitteilung nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 3 StBerG und damit eine Offenbarungsbefugnis im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Ein darüberhinausgehendes zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO) an der Offenbarung weiterer Tatsachen wird nur im Ausnahmefall vorliegen (siehe AEAO zu § 30 Tz. 8). Ansonsten sind Mitteilungen gemäß § 36 Abs. 2 BRAO, § 64a Abs. 2 BNotO und § 34 Abs. 2 PAO nur zulässig, soweit der Betroffene zustimmt (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO)
Im Interesse einer einheitlichen Handhabung erfolgen die Mitteilungen nach § 10 StBerG durch die Oberfinanzdirektionen oder - bei deren Auflösung - durch die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde bzw. durch die von ihr bestimmte Stelle. Diesen bleibt es überlassen zu regeln, in welcher Weise die nachgeordneten Dienststellen über bekannt gewordene Tatsachen im Sinne des § 10 StBerG zu berichten haben.
Diese Erlasse treten an die Stelle der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. Januar 2012 (BStBl I S. 205)
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